Am 2. Januar 2025 erschien auf der Titelseite des Lokalteils des Bocholter-Borkener-Volksblattes (BBV) ein großer Artikel mit der Überschrift „Protest gegen Baumfällungen“. Dieser Artikel wurde meines Wissens in ähnlicher Form auch in der Borkener Zeitung veröffentlicht. Als Verfasser dieses Online-Berichtes ist es mir ein dringendes Anliegen klarzustellen, dass es sich keineswegs um eine private Initiative meinerseits handelt, sondern dass die Exkursion mit dem Chefredakteur des BBV, Herrn Stefan Prinz, eine Aktion des NABU-Kreisverbandes Borken e.V. war. Unser Vorsitzender Martin Frenk und der Gruppensprecher aus Bocholt, Christoph Paffrath, haben die Tour mitgeplant und haben sich inhaltlich in die Gespräche mit dem Journalisten eingebracht. Von daher besteht in meinem Fall ein gewisses Erstaunen darüber, dass die Beteiligung unserer beiden Mitstreiter seitens der Zeitung überhaupt nicht erwähnt wurde. Doch darum soll es aber im Folgenden nicht gehen. Uns ist die Botschaft wichtig, die wir mit dieser Tour in die Bevölkerung, in den Rat und die Verwaltung senden wollten: „In Bocholt wird viel zu viel Natur zerstört!“
Wir wollten mit Herrn Prinz noch eine weitaus größere Tour abfahren, doch dazu reichten die anderthalb Stunden nicht annähernd aus. Wir trafen uns zunächst am Euregio-Gymnasium, um uns dort den Baumbestand anzuschauen, der einfach überplant wird. Die Stadtverwaltung schreibt immer beschwichtigend von „freien Flächen“. Nein: Flächen, auf denen Bäume stehen, sind keineswegs „frei“. Sie dürfen eben nicht einfach überplant werden! In dem Zusammenhang sei die erste unserer Forderungen dargestellt: Keine weiteren Grünflächen versiegeln. Bauvorhaben nur auf bereits versiegelten Flächen realisieren.
Um die Dimensionen der Baumfällungen einmal darzustellen, seien die erfolgten und die noch geplanten Baumfällungen tabellarisch aufgelistet:
Ort | Grund | Alternative |
Euregio-Gymnasium | Bau eines neuen Schulgebäudes als Ersatz für den bestehenden Gebäudekomplex | Die zu ersetzenden Bauteile zunächst abreißen und an der Stelle den Neubau konzipieren. Ergebnis: Keine Baumfällungen notwendig |
Alte Bahntrasse/ Rheder Straße |
Ein Grund ist nicht erkennbar. Vermutlich wurden viele Bäume und „Gestrüpp“ aus einer falsch verstandenen Ordnungsliebe entfernt.
Vielleicht werden ja bereits jetzt Bäume entfernt, damit der Protest beim Bau des geplanten Radschnellweges nicht so groß ist. |
Gerade in der kalten Jahreszeit benötigen Insekten und andere Kleintiere Sträucher und abgestorbene Pflanzenteile zum Überwintern. Das Entfernen tötet die Insekten in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien und trägt erheblich zum Insektensterben bei! |
Blücherstraße: alte Buchen | Einige Buchen sind erkennbar krank. Vermutlich werden sie aus Verkehrssicherungsgründen gefällt. | Künftig den Bäumen und ihren Wurzeln (Buchen sind Flachwurzler) mehr Platz geben! |
Uhlandstraße, Textilmuseum | Angeblich müssen erste alte und gesunde Bäume entfernt werden, um hier „renaturieren“ zu können. | Alte, gesunde und damit unverzichtbare Bäume in die Konzepte integrieren. So geht Renaturierung! |
Aasee Einlauf | Hochwasserschutz | Es standen alte Trauerweiden und auch Erlen in dem Bereich. Beide Baumarten haben keine Probleme mit nassen Wurzeln. Der Bereich hätte zu einem Auwäldchen umgewandelt werden können; das wäre ebenfalls eine effiziente Hochwasserschutzmaß-nahme. |
Clemens-Dülmer-Schule
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Erweiterung der Schule und Schaffung von Lehrerparkplätzen | Es gibt bereits einen versiegelten Schulhof, also eine Fläche zum Überbauen. Die Bäume könnten als „Grünes Klassenzimmer“ dienen. Wer die Verkehrswende wirklich will, der schafft keine neuen Parkplätze! |
Sandbachpark/ Ententeich Heutingsweg |
Der Sandbach soll umgeleitet werden, im Park eine Retentionsfläche entstehen. | Der Bereich hätte zu einem Auwäldchen umgewandelt werden können; das wäre ebenfalls eine effiziente Hochwasserschutzmaß-nahme. |
Boggeter Promenade (Bocholter Aa Südufer) |
Radschnellweg. Ein Asphaltband soll sich durch die Stadt ziehen. | Verzicht auf den Radschnellweg. Er ist kein Beitrag zum Klimaschutz, sondern allenfalls dient er der Tourismusförderung und zuvorderst ist er ein Prestigeobjekt, bei dem jede Menge Natur zerstört wird. |
Streuobstwiese Lowick | Schaffung eines Parkplatzes und einer Rangierfläche | Erhalt der Streuobstwiese in der jetzigen Form. Sie ist bereits eine ökologische Ausgleichsmaßnahme und muss damit unantastbar sein. |
Radschnellweg zw. Bocholt/Rhede (ehemalige Bahntrasse) |
Radschnellweg. Ein Asphaltband soll sich von Bocholt nach Rhede ziehen. | Verzicht auf den Radschnellweg. Er ist kein Beitrag zum Klimaschutz, sondern allenfalls dient er der Tourismusförderung und zuvorderst ist er ein Prestigeobjekt, bei dem jede Menge Natur zerstört wird. |
Nordring (Wäldchen zw. Hemdener Weg / Adenauerallee) |
Verbindung der beiden Straßen und irgendwann eine Ringstraße im Bocholter Norden. | Verzicht auf den Bau des Nordringes. Wer die Verkehrswende wirklich will, fördert nicht den motorisierten Individualverkehr durch noch mehr Bequemlichkeit. Das Bauprojekt passt nicht mehr in die heutige Zeit, zerstört Lebensräume und schadet dem (lokalen) Klima. |
(Keine Gewähr auf Vollständigkeit; leider kann sich die Tabelle immer noch erweitern!)
Deutlich wird anhand der Auflistung, dass einerseits viele Bauvorhaben nicht mehr zeitgemäß sind und andererseits kaum Anstrengungen unternommen werden bzw. worden sind, um alte Bäume mit ihren so unverzichtbaren, vielfältigen Ökosystemleistungen zu erhalten. Wir fordern eine klare Trendwende! Zudem benötigt Bocholt mehr neue Grünflächen bspw. in Form innerstädtischer „Tiny Forests“, also Mini-Wäldchen mit klimaresilienten Baumarten, die keiner wirtschaftlichen Nutzung unterliegen. Zudem fordern wir ein ökologisches Mähmanagement, das auf die jahreszeitlichen Gegebenheiten der Natur abgestimmt ist. Es muss außerdem viel mehr Laub liegen bleiben dürfen. An der Unterseite der Blätter haften teilweise Insekteneier, Laub ist die Nahrung von Regenwürmern und dient somit letztlich auch als Dünger für viele Pflanzen; es stabilisiert die Gesundheit des Bodens! Laub ist nicht unordentlich und muss im Naturkreislauf verbleiben!
Letztlich gilt das, was im Rahmen dieses Artikels dargestellt wurde, für viele andere Kommunen im gesamten Kreis Borken. Wir fordern die Bevölkerung, die Politik und die Verwaltungen auf, sich einerseits mehr mit den großen Herausforderungen Erderwärmung und Artensterben zu beschäftigen, und andererseits mehr Natürlichkeit in den Dörfern und Gemeinden zuzulassen. Bereits jetzt erleben wir ein massives Insektensterben. Das hat Folgen. Für Amphibien, für Reptilien, für Singvögel, für Kleinsäuger wie Igel, und letztlich auch für uns Menschen! Denn wir Menschen sind – trotz aller Zivilisation und den damit einhergehenden Naturzerstörungen – immer noch ein Teil der Natur. Zerstören wir die Natur, zerstören wir die Lebensgrundlagen kommender Generationen!
Michael Kempkes
Bocholt