Michael Kempkes moderierte den Vortrag, der vom Krefelder Entomolgen Thomas Hörren gehalten wurde. Foto: Klaus Ludwig

Unter dem Thema „Ausgesummt? Was ist dran am Insektensterben?“ hatte der NABU Kreisverband Borken in die Landgaststätte Knuf eingeladen. Unter den knapp 60 Interessierten waren neben NABU Vertretern auch viele Imker und Landwirte vertreten. Thomas Hörren vom Entomologischen Verein Krefeld stellte als einer der Autoren die wissenschaftlichen Studie vor, die vor einigen Monaten sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt Entsetzen ausgelöst hatte, weil dort ein Rückgang von 75 Prozent der Insekten belegt worden war.

Das Thema war so brisant, dass selbst die New York Times und Die Zeit Titelseiten damit ausstatteten. Hörren berichtete, dass diese Studie  in Zusammenarbeit mit der Radbouw Universität in Nijmegen, der University of Sussex (u.a. mit dem international anerkannten und prominenten Bestsellerautor und Hummelexperten Dave Goulson) und dem Entomologischen Verein Krefeld erstellt wurde und sich ausschließlich auf Naturschutzflächen beziehe. Die Untersuchungsflächen lägen größtenteils in Nordrhein-Westfalen, jedoch auch in Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Damit sei zwar kein valider Nachweis für die gesamte Bundesrepublik erbracht, der Trend klar erkennbar.  Während zwischen 1989 und 2004 täglich in den sogenannten Malaisefallen bis zu 20 g. Fluginsekten täglich gefangen werden konnte, liegt die Rate zwischen 2005 und 2016 bei nur noch höchstens 5 g. Dieser Rückgang der Insekten ziehe sich durch alle Gruppen und alle Biotope, die untersucht wurden.

Blühstreifen können zu Todesfallen werden

Der Trend sei klar erkennbar rückläufig und das in einer Geschwindigkeit, die auch die Wissenschaft völlig überrascht hätte. Im Sommer, somit in Zeiten hoher Insektendichte, sei der Rückgang mit 80 Prozent sogar noch höher. Die Datenlage decke sich mit Untersuchungen in Südengland, die in einer wissenschaftlichen Studie einen Nachfalterrückgang von über 70 Prozent festgestellt hätten. Auf der Bislicher Insel im Kreis Wesel wurde bei gefährdeten Schmetterlingsarten sogar ein Rückgang von 88 Prozent festgestellt. In den einzelnen Studien wurde festgestellt, dass das Klima, also Temperatur und Niederschlag, kaum Auswirkungen auf die Ergebnisse gezeigt hätten. Ein direkter Kausalzusammenhang für den Rückgang sei derzeit noch nicht wissenschaftlich beweisbar. Für Thomas Hörren ist aber klar, dass dies mit den vorliegenden Umweltbelastungen zu tun haben muss. Ein großes Problem seien beispielsweise Neonikotinoide, ein hochwirksames Insektizid, welches bereits in sehr kleinen Mengen Insekten tötet oder ihr Nervensystem schädigt.

Dabei reichert sich das Gift in allen Pflanzenteilen an. Die Wirkung sei besonders bei mehrjährigen Pflanzen fatal, weil sich dort teilweise bis zu 20fache Konzentrationen des Giftes wiederfinden würden. Dies führe u.a. dazu, dass mehrjährige Blühstreifen zu Todesfalle für die Fluginsekten werden könnten, da dort der Vergiftungsgrad enorm erhöht sei. Als weiteres Problem besonders in Deutschland sei die sogenannte Inselstruktur der Naturschutzgebiete. Dies führe dazu, dass an den Randzonen Straßen und intensive Landwirtschaft die dort lebenden Fluginsekten Umweltgiften auch in die geschützten Naturschutzbereiche eintragen würden. Hörren appellierte diese verfehlte Naturschutzpolitik zu ändern und größere Pufferzonen zu schaffen.  Die Politik sei nun gefordert, endlich Maßnahmen gegen das Insektensterben zu veranlassen.

Glücklicherweise habe seine Studie dazu geführt, dass nun an  vielen Universitäten Wissenschaftler unterwegs seien, um an dieser bislang nur unzureichend beachteten Tiergruppe zu arbeiten und die Gründe des Insektensterbens zu untersuchen. Selbst in den Koalitionsvertrag habe der Insektenrückgang Eingang gefunden und zu Kontakten mit dem Umweltministerium geführt. Aus Sicht von Thomas Hörren sind nun auch ethische Fragen mit dem Nachhaltigkeitsaspekt in den Blick zu nehmen. In der anschließenden Diskussionsrunde wurde auch von Landwirten deren Einfluss auf das Insektensterben anerkannt und ein kritischerer Umgang mit Insektiziden wie Glyphosat befürwortet. Michael Kempkes vom NABU Kreisverband appellierte zum Abschluss an alle Vertreter, zusammen für unsere Lebensgrundlagen einzustehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Martin Frenk