Der Vorstand des Kreisverbandes Borken hat sich bei der Vorstandssitzung am 07.03. mit deutlicher Mehrheit gegen die Bejagung des Fuchses ausgesprochen. Mit 10 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen wurde das folgende Positionspapier zur Fuchsjagd verabschiedet:

Ist die Bejagung des Fuchses und anderer Prädatoren notwendig?

Positionspapier des NABU KV BOR zur Fuchsjagd (PDF-Download)

Die Bejagung des Fuchses ist im NABU ein kontrovers diskutiertes Thema. Wir wünschen uns, dass der Fuchs von der Liste des NABU Bundesverbandes als jagdbares Tier gestrichen wird.

Die Frage nach einer Vertretbarkeit oder Notwendigkeit der Bejagung von Füchsen tangiert auch das Grundverständnis von Natur und Naturschutz. Dabei sind Aspekte des Tierschutzes und der Ethik zu berücksichtigen.

Bundesweit werden jährlich etwa 450.000 und im Kreis Borken jährlich etwa 2.000 Füchse getötet (Kreisjägerschaft Borken e. V. 2010 bis 2020).

Der NABU-Kreisverband Borken hält die Bejagung des Fuchses für nicht vertretbar, ökologisch sinnlos, tierschutzwidrig und gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung gerichtet. Der Fuchs ist von der Liste der jagdbaren Tierarten zu streichen.

Fuchsjagd ist ökologisch sinnlos und löst nicht die Probleme des Wiesenvogelschutzes

Der Fuchs ist zwar einer der wichtigsten Nestprädatoren (Langgemach & Bellebaum 2005, Teunissen et al. 2005), die Erkenntnisse über seinen tatsächlichen Einfluss auf die Bodenbrüterbestände sind jedoch unklar. Erfolgsmeldungen für ein intensives „Prädatorenmanagement“ halten einer kritischen Betrachtung zumeist nicht stand:

  • Ein Einfluss des Fuchses auf Bodenbrüter ist belegt, jedoch ist der Effekt der Bejagung für Bodenbrüter gering oder bleibt aus, z. B.: Junker et al. (2011), Bolton et al. (2007), Teunissen et al. (2005), Hötker et al. (2007, hier: Ausnahme bilden Inseln/Halbinseln)
  • Viele vergleichende Studien, z. B. zum Dümmer und Bremer Blockland zur Auswirkung der Prädatorenjagd auf Wiesenvögel weisen fachliche Mängel auf (Vergleichbarkeit der Gebiete, zu kurzer Vergleichszeitraum, Wanderbewegung der Füchse aus dem bejagten in das direkt benachbarte jagdfreie Gebiet, Ausblendung der Effekte von Habitatverbesserungs-maßnahmen) (s. Kritik in Pro Fuchs Deutschland 2022)
  • Schlüsselfaktor Kleinsäugerdichte: je mehr Kleinsäuger, desto größer die Attraktivität für Füchse und desto größer die Prädation → je nasser, desto geringer die Kleinsäugerdichte und desto geringer die Prädationsrate (Langgemach & Bellebaum 2005) → Die wichtigste Stellschraube ist die Lebensraumverbesserung (bei Feuchtwiesen: Vernässung)

Eine Reduktion des Fuchsbestandes ist nur durch extremen und dauerhaften Jagddruck einschließlich Bau- und Fallenjagd möglich: Fuchspopulationen verkraften einen Abschuss von 2/3 des Herbstbestandes (Macdonald 1993, Pagh et al. 2018), oft erst Bestandsreduktion bei Tötung von über 80 % der Füchse (Kimmig 2021). Am Dümmer 70 Betonrohrfallen auf 4.500 ha in Kombination mit weiteren Jagdmethoden, dadurch Tötung von Raubsäugern im „deutlich dreistelligen Bereich“ jährlich (Mross 2018)

Tötung von Prädatoren wird häufig durchgeführt, selbst wenn mildere Methoden (z. B. Elektrozäune um Brutplätze) möglich wären

NABU, Biologische Stationen und andere Naturschutzorganisationen kooperieren häufig mit Jägern beim Bodenbrüterschutz und fördern damit die extreme Nachstellung der Raubsäuger

Fuchsjagd fördert die Verbreitung von Krankheiten und Parasiten

Die Tollwut ist in Deutschland seit 2008 ausgestorben, der Fuchs ist als Überträger somit nicht mehr relevant. Die Jagd hat nicht zur Bekämpfung der Tollwut beigetragen, sondern erst der großflächige Abwurf von Impfködern aus dem Flugzeug (Müller et al. 2012)

Die Fuchsbejagung fördert nachweislich die Ausbreitung des Fuchsbandwurms durch einen höheren Anteil von gegen den Befall anfälligeren Jungtieren und durch verstärkte Wanderbewegungen innerhalb der Fuchspopulationen: Zunahme der Befallsrate von 40 auf 55 % durch Intensivierung der Bejagung in 693 km² großem Untersuchungsgebiet in Frankreich (Comte et al. 2017), Rückgang der Befallsrate von 40 auf 20 % in Luxemburg seit Verbot der Fuchsjagd (Ganser 2020)

Die Befallsrate von Zecken mit Borrelien (Erreger der Borreliose) geht bei hohen Fuchspopulationen zurück, weil Mäuse als Hauptwirte dann ihr Verhalten ändern und sich weniger an der Erdoberfläche aufhalten (Hofmeester et al. 2017).

Wichtige ökologische Funktion des Fuchses durch Erbeuten von krankem Niederwild (z. B. Kaninchen mit Myxomatose oder Hasen mit Tularämie) und als Mäusevertilger (ca. 3.000 – 4.000 Mäuse pro Fuchs und Jahr)

Fuchsjagd zerstört die Sozialstrukturen und die Selbstregulation

Füchse sind soziale Tiere, die in Verbänden bzw. Familiengruppen leben. Nur die ranghohen Fähen (Weibchen) bekommen Nachwuchs (Kimmig 2021, Meia 1994). Durch die Bejagung werden diese Sozialstrukturen fortlaufend zerstört, die meisten Fähen bekommen Nachwuchs und gebären mehr Junge (Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald 2009, Macdonald 1993). In Luxemburg wurde die Fuchsjagd 2015 eingestellt mit keinerlei negativen Folgen. Die Geburtenrate ist niedrig und die Populationsdichte bleibt konstant.

Fuchsjagd verstößt gegen das Tierschutzgesetz

  • 1 und § 17 Tierschutzgesetz verbieten die Tötung von Wirbeltieren ohne einen vernünftigen Grund. Ein vernünftiger Tötungsgrund ist für die Fuchsjagd nicht gegeben (DJGT (Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht) 2021). Die getöteten Füchse werden weggeworfen, bestenfalls werden Teile des Balges zu Ziergegenständen verarbeitet.

Die folgenden gängigen und nach Landes- und Bundesjagdgesetz legalen Jagdmethoden sind mit erheblichem Leid verbunden:

Baujagd: Heraustreiben des Fuchses aus dem Bau mit einem Hund, Erschießen des flüchtenden Fuchses bzw. Heraustreiben/Herausbringen der Jungfüchse aus dem Bau durch Hund mit anschließender Tötung; Ausbildung der Bauhunde am lebenden und eigens dafür in Gefangenschaft gehaltenen Fuchs in Schliefenanlagen

Fallenjagd: Fang von Füchsen in Lebendfallen, Tötung in der Falle (Totschlagfallen in NRW verboten)

Töten von Welpen: Tötungen ganzer Würfe von Jungfüchsen entweder im Rahmen der Baujagd (s. o.) oder durch Erschießen der Jungtiere vor dem Bau, durchschnittliche Lebenserwartung des Fuchses unter Bejagung weniger als ein Jahr

Fuchsjagd wird von der Bevölkerungsmehrheit abgelehnt

Nur knapp 10 % der Bevölkerung sprechen sich laut repräsentativer Umfrage von Sophia Kimmig im Auftrag des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung für die Bejagung von Füchsen aus. Etwa 70 % lehnen die Fuchsjagd ab, etwa 20 % haben keine Meinung geäußert.

Der Fuchs ist in der Bevölkerung überwiegend positiv besetzt (Sympathieträger). Er ist eine wichtige und meist positive Figur in vielen Geschichten und Kinderbüchern.

Füchse sind sensible und soziale Beutegreifer

Füchse sind in hohem Maß soziale Wesen und sogar zu sozialen Interaktionen mit anderen Arten, auch mit dem Menschen, in der Lage, was von Fällen intensiver sozialer Beziehungen zwischen Menschen und wildlebenden (!) Füchsen belegt wird (u. a. Schumann 2006). Die neuen Forschungen, z B. von Karsten Brensing zeigen, dass höher entwickelte Tiere ähnlich fühlen wie Menschen.

Das Recht auf Leben ist sowohl in unserer Moral als auch in unserem Rechtssystem das höchste Gut, das Tötungsverbot ist auch in unserem moralischen Alltagsempfinden tief verankert. Die meisten Menschen empfinden tiefe Ehrfurcht und Respekt auch vor dem nicht-menschlichen Leben. Die absichtsvolle und grausame Tötung unserer Füchse löst in unserem NABU-Kreisverband Erschütterung, Wut und Trauer aus. Die willkürliche Jagd auf Füchse als Freizeitbeschäftigung ist nicht zeitgemäß. Zudem belegt die Wissenschaft die Sinnlosigkeit der Fuchsjagd. Füchse im Namen des Artenschutzes und mit zweifelhaftem Erfolg für die zu schützenden Zielarten zu töten ist nicht vertretbar. Beim Schutz von Bodenbrütern ist eine Fokussierung auf die eigentlichen Gefährdungsursachen, insbesondere die infolge der menschlichen Einwirkungen unzureichende Lebensraumqualität erforderlich (vgl. BUND 2021).

Der NABU-Kreisverband fordert daher, die Bejagung des Fuchses und aller anderen Beutegreifer im Kreis Borken umgehend einzustellen.

 „Müssten wir nicht vielmehr die Durchführung als die Abschaffung der Fuchsjagd faktisch legitimieren?“ (Kimmig 2021)

 Gabi Joormann & Martin Steverding

 

Quellen:

Bolton, M., G. Tyler, K. Smith & R. Bamford (2007): The impact of predator control on lapwing Vanellus vanellus breeding success on wet grassland nature reserves. Journal of Applied Ecology 44: 534-544.

BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) (2021): Wald und Huftiere, Artenschutz und Karnivore. Zum vermeintlichen „Wald-Wild-Konflikt“ und der Idee, wilde Tiere zu „managen“

Comte, S., G. Umhang, V. Raton, F. Raoul, P. Giraudoux, B. Combes & F. Boue (2017): Echinococcus multilocularis management by fox culling: An inappropriate paradigm. Preventive Veterinary Medicine, Volume 147: 178-185.

DJGT (Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht) (2021): Die Fuchsjagd im Jahr 2021 – Zeugnis eines überholten Jagdverständnisses. https://djgt.web19.s60.goserver.host/wp-content/uploads/2021/02/20210126_Stellungnahme_Fuchsjagd.pdf (Abrufdatum 20.02.2022)

Hötker, H., H. Jeromin, K.M. Thomsen (2007): Aktionsplan für Wiesenvögel und Feuchtwiesen – Endbericht 2007.

Hofmeester, T.R., Jansen, P.A., J.W. Wijnen, E.C. Coipan, M. Fonville, H.H.T. Prins, H. Sprong & S.E. van Wieren (2017): Cascading effects of predator activity on tick-borne desease risk. http://rspb.royalsocietypublishing.org/

Ganser, J. (2020): Fuchsjagd bleibt verboten in Luxemburger Wort. Luxembourg. https://www.wort.lu/de/lokales/fuchsjagd-bleibt-verboten-5f104fa3da2cc1784e361c08, Abrufdatum 21.02.2022

Junker, S., H. Düttmann & R. Ehrnsberger (2011): Nachhaltige Sicherung der Biodiversität in bewirtschafteten Grünlandgebieten Norddeutschlands am Beispiel der Wiesenvögel in der Stollhammer Wisch, Studie der Hochschule Vechta, Deutsche Bundesstiftung Umwelt.

Kimmig, S. (2021): Von Füchsen und Menschen. 2. Auflage 2021: Piper Verlag GmbH, München.

Kreisjägerschaft Borken e. V. (2010 – 2020): Jahresberichte

Langgemach, T. & J. Bellebaum (2005): Prädation und der Schutz bodenbrütender Vogelarten in Deutschland. Vogelwelt 126: 259-298.

Macdonald, D. (1993): Unter Füchsen – Eine Verhaltensstudie. Knesebeck, München.

Meia, J.S. (1994): Organisation sociale d´une population de renards (Vulpes vulpes) en milieu montagnard, Dissertation, Universite de Neuchatel.

Mross, E. (2018): Die Wiese lebt! Niedersächsischer Jäger 9/2018: S. 14-18.

Müller, T., C.M. Freuling, P. Gschwendner, E, Holzhofer, H. Mürke, H. Rüdiger, P. Schuster, D. Klöß, C. Staubach, K. Teske & A. Vos (2012: SURVIS: a fully-automated aerial baiting system fort he distribution of vaccine baits for wildlife. Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 125, Heft 5/6: 197-202.

NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V. (2013): Ausrichtung der Jagd in Deutschland

Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald (Hrsg.) (2009): Rotfuchs und Dachs – Raumnutzungsverhalten und Habitatwahl, Wissenschaftliche Schriftenreihe Heft 18.

Pagh, S., M. Chriel, A. B. Madsen, T-L. W. Jensen, M. Elmeros, T. Asferg & M. S. Hansen (2018): Increased reproductive output of Danish red fox females following an outbreak of canine distemper. Canid Biology & Conservation 21 (3): 12-20

Pro Fuchs Deutschland (2022): Käseglocken-Naturschutz, Speziesismus und Artenschutz – Widersprüche am Dümmer See. https://www.profuchsdeutschland.de/Fuchsinfos/Wiesenbrueter/Duemmer-See/ (Abrufdatum 20.02.2022)

Schumann, G. (2006): Wilde Füchse – ganz vertraut. Neumann – Neudamm.

Teunissen W, Schekkermann H, Willems F. (2005): Predatie bij weidevogels. Op zoek naar
de mogelijke effecten van predatie op de weidevogelstand. Gutachten im Auftrag von
Sovon Vogelonderzoek Nederland, Alterra