Symbolbild: Image by S. Hermann & F. Richter from Pixabay

Das in dem o.g. Artikel vorgestellte Ergebnis ist nicht weiter verwunderlich, denn durch eine neue Straße werden in den ersten Jahren bislang belastete Straßen entlastet. Allerdings erzeugen neue Straßen eine Sogwirkung und setzen vermehrt Anreize weiterhin mit dem Auto Strecken zurückzulegen, anstatt auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen. Jan Diesfeld, der das Mobilitätskonzept vorgestellt hat, geht von 12.000 PKW am Tag aus, die über den Nordring fahren werden. Wo bleibt der Schutz vor Lärm, Abgasen, Stickoxiden, Feinstaub und anderen die Gesundheit gefährenden Stoffen? Auch der Bund fasst diesbezüglich die Entwicklungen im Straßenverkehr wie folgt zusammen:“Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland verfehlt sämtliche Umweltziele. Schadstoffe, Lärm und der Flächenverbrauch werden nicht gemindert. Und immer mehr Straßen erhöhen nicht die Mobilität, sondern nur den Verkehr“ (Quelle: https://www.bund.net/themen/mobilitaet/infrastruktur/).

Um Bocholt, und nicht nur Bocholt, dauerhaft vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten, bedarf es keiner weiteren Straßen, sondern der Förderung der umwelt- und menschenfreundlicheren Alternativen, sprich dem Radverkehr und dem ÖPNV. Das Mobilitätskonzept hat unseres Wissens nach weder berücksichtigt, dass demografische Berechnungen eine Abnahme der Bocholter Bevölkerung prognostizieren, noch dass eine überregionale Verkehrswende erfolgen wird; das Automobil in seiner jetzigen Form wird dauerhaft für den einzelnen Bürger und die gesamte Gesellschaft zu teuer (volkswirtschaftliche Folgekosten!). Somit fehlt in dem Mobilitätskonzept auch das Aufzeigen der Auswirkungen auf die Verkehrsentwicklung, wenn vermehrt der Rad- und Busverkehr gefördert wird und wenn es – endlich! – auch zu einer besseren Vernetzung Bocholts mit den Bahnstrecken nach Norden, Osten und Süden käme. Weshalb mangelt es eigentlich an einer vergleichbaren Vehemenz bei der Forderung nach einem der Größe Bocholts angemessenen Bahnanschluss? Sich nur für den Bau einer Straße einzusetzen und den Bahnverkehr dabei sträflich zu vernachlässigen ist eine einseitige infrstrukturelle Weichenstellung, die Bocholts Zukunft gefährdet!

Das Zukunftsnetz Mobilität NRW schreibt Folgendes:“Die Mobilität ist im Umbruch. Die autoorientierte Verkehrs- und Stadtplanung der letzten Jahrzehnte stößt an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und ist nicht zukunftsfähig. Notwendig sind die Mobilitätswende und die Energiewende im Verkehrssektor. Die Zukunft der Mobilität ist multimodal, postfossil, digital und entfernungsarm. Zukünftig werden die Kommunen Vorreiter sein, die in nahräumliche Strukturen investieren, die vernetzte und effiziente Mobilitätsangebote entwicklen und bewerben“. Die Ausführung dieser Institution verdeutlichen, dass Bocholt mit der Realisierung des Nordrings einen Weg in die Vergangenheit einschlagen und sich damit gegenüber Kommunen mit zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten in eine schlechtere Position begeben wird. Von daher fordern wir als Nabu eine weitere unabhängige, ohne Zielvorgabe erfolgende Untersuchung, die alternative Konzepte einschließt.

Was in dem Mobilitätskonzept offenbar ebenfalls nicht hinreichend beleuchtet wird, zumindest ist das nicht dem o.g. Artikel zu entnehmen, ist die Tatsache, dass der Nordring nicht auf einer höher gelegenen Trasse realisiert werden soll, sondern er soll ebenerdig gebaut werden, sodass im Stadtgebiet weitere Kreuzungen und Kreisverkehre entstehen müssen, die auch eine Verlagerung bzw. Schaffung neuer Unfallschwerpunkte bedeuten könnten.

Schließlich fehlt uns als Naturschutzbund, der sich ganz klar und deutlich für die berechtigen Interessen der Menschen nach sauberer Luft, Sauerstoff und Schatten, innerstädtischem Grün und Artenvielfalt einsetzt, eine umfassende Untersuchung dazu wie sich das Roden der gewachsenen Wildnis mitsamt ihren Jahrezehnte alten Bäumen auf das innerstädtische Klima und die Biodiversität langfristig auswirken werden. Fest steht jedenfalls, dass Ersatzpflanzungen nicht annähernd den ökologischen Wert der bisherigen Trasse kompensieren können! Eine 100 Jahre alte Buche speichert 3,5 Tonnen CO2 (Quelle: https://www.baumpflegeportal.de/baumrecht/wieviel-ist-ein-baum-wert/) und auf den Flächen stehen viele 70, 80 Jahre alte Buchen, zudem Eichen mit ähnlich wertvollen Ökosystemleistungen! Eine umfassende Untersuchung über die langfristigen ökologischen Auswirkungen des Straßenbaus sind unverzichtbar und in jedem Fall vor der weiteren Planung und Realisierung durchzuführen.

Abschließend sei auch noch ganz konkret der Klimawandel und Bocholts diesbezüglichen Ziele in Erinnerung gebracht. Als sich Bocholt 2008 um den Titel als Klimakommune bewarb, wurde das Ziel ausgegeben im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 40% weniger CO2 zu produzieren. Fünf Jahre später, also 2013, wurde schon nur noch von einer Reduzierung um 20% gesprochen. Und heute? Man hört und liest nichts mehr über die Klimaziele der Klimakommune. Stattdessen soll eine neue Straße mitten durchs Stadtgebiet gezogen werden …

i. A. Michael Kempkes
stellv. Vorsitzender NABU-KV Borken e.V.