Im Bocholter-Borkener Volksblatt (BBV) ist ein Leserbrief zum Abschuss des Wanderfalken in Bocholt erschienen. Der Verfasser spricht dabei von „einer Überpopultion der Greifvögel“ und behauptet, dass diese für den dramatischen Rückgang der Singvögel verantwortlich sei. Dabei zitiert er auch aus einer nicht näher benannten „Brieftaubenzeitschrift“.
Wir als NABU-Kreisverband Borken wollen und können diese Behauptungen nicht unkommentiert stehen lassen und stellen sie im Folgenden richtig:
Es ist zwar erfreulich, dass sich Herr Nienhaus Sorgen um den Schutz aller Wildvögel macht, nur ist sein im Artikel aufgeführter Denkansatz leider nicht der richtige.
Mit seiner Überschrift „Singvögel werden drastisch minimiert“, hat er zwar Recht, er schließt aber leider nur einseitige und zudem fachlich falsche Rückschlüsse.
Seit Jahrmillionen gibt es in der Natur einige Tierarten, die sich von anderen Tieren ernähren. Die Tierarten, die in der Nahrungskette weit unten stehen, kompensieren die Verluste durch mehr Nachkommen. Meisen haben z.B. 8-10 Junge und brüten wie Amseln und Tauben mehrmals im Jahr.
Greifvögel dagegen haben in der Regel 3-4 Junge und nur eine Jahresbrut; zumeist überleben lediglich ein bis zwei Junge die Gefahren des ersten Lebensjahres, sodass dadurch allenfalls die Verluste unter den Altvögeln kompensiert werden können, denn auch Greifvögel haben natürliche Feinde.
Das Nahrungsangebot dieser Arten war fast immer angepasst, leider ist das in den letzten Jahren nicht mehr so.
Wenn es stimmen würde, dass die Greifvögel die Singvögel drastisch minimieren und wenn man dann noch die streunernden Katzen und die Millionen von gefangenen und geschossenen Singvögel in Europa und Afrika dazu zählt, dann blieben ja nicht mehr viele Singvögel über. Zudem kommen die immensen Verluste unter den Singvögeln durch den Straßenverkehr, man denke nur an die zahlreichen überfahrenen Amseln!
Da sehr viele Singvögel Insektenfresser sind, müssten sich die Insekten dann ja derart vermehrt haben, dass sie hier zur Plage würden, weil es ja fast keine Singvögel mehr gibt.
Dem ist aber nicht so, ganz im Gegenteil, die Insekten sind nicht mehr in der Anzahl vorhanden, um die Singvögel entsprechend zu ernähren.
Auch hier gibt es viele Ansätze und Untersuchungen woran es liegt, dass das Gleichgewicht in der Nahrungskette vieler Tierarten nicht mehr stimmt.
Schauen Sie sich mal um in unserer Natur, Industrie, Straßen- und Wohnbebauung, Verkehr und auch in der Landwirtschaft hat sich vieles verändert, oft zum Vorteil für einige Menschen, aber immer zum Nachteil der Natur und damit auch – langfristig! – für alle Menschen.
Hier nur zu sagen, der Wanderfalke oder eine andere Tierart ist Schuld am Rückgang der Singvögel, ist der völlig falsche Weg. Es sei an dieser Stelle unmissverständlich dargestellt, dass das natürliche Gleichgewicht zwischen Beute und Beutegreifern in Pegelbewegungen über lange Zeiträume ausgeglichen ist und beide voneinander profitieren. Die Nachstellungen der Beutegreifer führen dazu, dass die Populationen der Beutetiere gesunden, da überwiegend kranke und schwache Tiere erbeutet werden, da sich diese leichter überwältigen lassen. So vermehren sich nur die gesunden und vitalen Tiere, die auch deshalb bessere Überlebenschancen haben, weil sie durch die ausgemerzten Artgenossen weniger Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum haben. Deshalb lässt sich wissenschaftlich fundiert festhalten, dass die Raubtiere ganz wichtig für die Lebensräume sind. Haie halten die Meere gesund, Wölfe die Wälder und Greifvögel die Singvogelbestände. Das natürliche Gleichgewicht gerät erst dann ins Wanken, wenn der Mensch eingreift, weil er es nach eigenen Vorstellungen verändert!
Die Informationen aus einer Zeitschrift für Taubenzüchter entbehrt offensichtlich jeglicher Grundlage. Das, was dort wiedergegeben wird, entspricht vielleicht den Vorstellungen der Leserschaft, es ist ornithologisch jedoch nicht belastbar. Der Rückgang der Singvögel ist zusammengefasst auf folgende Ursachen zurückzuführen: Verlust der Lebensräume, Industrialisierung der Landwirtschaft, Rückgang der Insekten, illegale Bejagung der Zugvögel rund um das Mittelmeer, Straßenverkehr, streunender Katzen, Glasscheiben an Gebäuden. Die Verluste der Greifvögel sind dagegen nur natürlich!
Und zum Schluss: Nichts rechtfertigt den illegalen Abschuss des Wanderfalken.
R. Souilljee für NABU Borken e.V.