Biodiversität gegen Eichenprozessionsspinner
Der Eichenprozessionsspinner sorgt auch in diesem Jahr wieder für viele Schlagzeilen. Nahezu an jeder Eiche, die an sonniger Stelle steht, finden sich in diesem Sommer derzeit seine Raupennester an Stamm und Ästen. Der Eichenprozessionsspinner hat sich in den letzten Jahren aufgrund der gestiegenen Temperaturen von Süden her ausgebreitet und lebt inzwischen im Großteil von NRW. Durch das trocken-warme Wetter des vorigen Jahres begünstigt ist er in diesem Jahr bei uns so häufig wie nie zuvor.
Die Haare vor allem älterer Raupen enthalten den Reizstoff Thaumetopoein. Die Raupen häuten sich im Laufe ihrer Entwicklung mehrfach, die Brennhaare werden durch Wind verweht oder fallen in die Bodenvegetation. Werden sie nicht durch Regen in den Boden gewaschen, können sie noch längere Zeit wirksam bleiben und Reizungen verursachen. Über ihre Gefährlichkeit gehen die Meinungen weit auseinander. Sicher ist, dass eine direkte Berührung mit den Brennhaaren bei fast jedem Menschen zu juckenden Rötungen oder Quaddeln, vergleichbar mit Mücken- oder Flohstichen, führt. Allerdings sind stärkere oder wirklich gefährliche Symptome offensichtlich selten.
Gift kann gefährlicher sein als die Raupen selbst
Wo ist eine Bekämpfung der Eichenprozessionsspinner notwendig und mit welchen Mitteln? Beim Einsatz von Gift muss immer hinterfragt werden, ob dies zu einer größeren Gesundheitsgefahr führt als die Raupen selbst. Eine effiziente und unbedenkliche Methode ist das Absaugen der Nester, jedoch können viele Nester mit Leiter oder Hubsteiger nicht erreicht werden. Der NABU-Kreisverband Borken e. V. rät in solchen Fällen grundsätzlich von Gifteinsatz ab, nur in absoluten Ausnahmefällen kann der Einsatz des Mittels „Dipel ES“ mit einem Wirkstoff aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis vertretbar sein. Dieser tötet „nur“ Schmetterlingsraupen, während alle anderen Biozide viele weitere Tierarten und sicherlich auch den Menschen in Mitleidenschaft ziehen.
Ein ganz anderer Weg wurde in einem Projekt in den Niederlanden beschritten: Die durch ihre Brennhaare wehrhaften älteren Raupen haben nur wenige natürliche Feinde. Allerdings sind die Tiere in anderen Stadien deutlich leichter angreifbar: Die jungen Raupen werden von Meisen und anderen Vögel, von Florfliegenlarven oder verschiedenen Käfern gefressen sowie von Schlupfwespen, Brackwespen und Raupenfliegen parasitiert. Die erwachsenen Nachtfalter sind im Spätsommer eine leichte Beute für Fledermäuse. Diesen Umstand machte man sich zu nutzen: Verglichen wurden zwei in räumlicher Nähe zueinander gelegene Eichenreihen, je 64 Bäume ähnlicher Größe und Standortbedingungen. In der einen Eichenreihe wurden zahlreichen Nistkästen für Meisen angebracht sowie verschiedene Fressfeinde wie Florfliegenlarven gezielt ausgesetzt und es erfolgten Aussaaten verschiedener insektenfreundlicher Pflanzen im direkten Umfeld. Am Vergleichsstandort erfolgten keinerlei Bekämpfungsmaßnahmen. Während am Vergleichsstandort im Sommer 195 Raupennester des Eichenprozessionsspinners gezählt wurden, waren es am Standort mit Ansiedlung und Förderung natürlicher Feinde lediglich 32 – der Befall wurde also um fast 85 % reduziert.
Natürliche Feinde sind ein gutes Mittel gegen die Massenvermehrung
Ist die derzeitige Massenvermehrung also nur möglich, weil es an natürlichen Feinden fehlt? Die Ergebnisse des Versuches in den Niederlanden zeigen deutlich in diese Richtung. Es scheint möglich zu sein, den Bestand der Eichenprozessionsspinner ohne Gift kleinzuhalten und zugleich die Artenvielfalt und damit die Lebensqualität auch für uns Menschen zu erhöhen. Insbesondere entlang von Eichenalleen und an Höfen mit Eichenbestand sollten blühende Flächen mit heimischen insektenfreundlichen Pflanzen angelegt werden. Mit Nistkästen für Meisen kann man einen der wichtigsten natürlichen Feinde unterstützen – Meisen können an einem Tag mehrere 100 Raupen an ihre Jungen verfüttern. Auch Rotkehlchen, Heckenbraunellen und weitere Singvögel, die vor allem in Sträuchern und Gebüsch nisten, fressen die jungen Raupen. Diese Vögel kann man durch Pflanzen von heimischen Gehölzen und das Anlegen von dichtem Strauchwuchs unterstützen.
Flachkästen für Fledermäuse sollten nicht direkt an Eichen, sondern an anderen Baumarten oder an Hauswänden in der direkten Umgebung angebracht werden, da die Raupen des Eichenprozessionsspinners diese gern als Tagesverstecke nutzen.
Dr. Martin Steverding, Dipl.-Biologe
Links zum Thema:
https://www.naturetoday.com/intl/nl/nature-reports/message/?msg=24604
https://www.fledermausschutz.de/fledermausschutz/anbringen-von-fledermauskaesten/
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insekten-helfen/00959.html
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/tiere/
https://www.wur.nl/nl/show/Eikenprocessierups.htm
http://www.lwf.bayern.de/waldschutz/monitoring/066204/index.php