Der Kiebitz ist nicht nur in Rhede selten geworden. Foto: Dr. Martin Steverding

 

Auf der Internetseite der Bocholter Heimbau ist zu lesen, dass die beiden Städte Bocholt und Rhede „eingebettet in einer intakten Natur“ liegen. Wie intakt ist unsere Natur wirklich? Für Rhede gehen wir der Frage nachfolgend auf den Grund.
Zunächst einige Zahlen: Der Waldanteil liegt in Rhede bei knapp 18 %, in Deutschland liegt er bei 32 %. Die landwirtschaftliche Nutzfläche nimmt in Rhede 68 % ein, bundesweit etwa 53 %. Die Siedlungsfläche macht in Rhede etwa 8 % aus und der Anteil der Verkehrsfläche (Straßen, Wege, Parkplätze) etwa 4,8 % (Angaben aus Wikipedia). Alle Naturschutzgebiete zusammengerechnet machen in Rhede etwa 3,4 % aus, in NRW 8,1 % und in Deutschland 6,3 %. Diese Zahlen lassen sich folgendermaßen in Worte fassen: Rhede ist ziemlich waldarm, es gibt sehr viel Agrarland und es gibt deutlich weniger Naturschutzfläche als Straßen – in unserer ländlichen Kleinstadt.

Jagd in Naturschutzgebieten
Wie intakt ist die Natur in den 3,4 % Naturschutzgebieten? Es gibt sehr wertvolle Lebensräume wie die Moorlandschaft des Burlo-Vardingholter Venn, die Dingdener Heide oder Versunken Bokelt. Wirklich intakte Natur ist aber auch dort nicht zu finden. Die Gebiete sind für viele Tierarten (z. B. die meisten Vogelarten) viel zu klein für überlebensfähige Populationen. In allen Schutzgebieten findet Jagd statt. In Versunken Bokelt ist die Wasservogeljagd zwar untersagt – immerhin – aber die Gänse werden dort nicht selten beim abendlichen Anflug knapp außerhalb der Schutzgebietsgrenzen unter Beschuss genommen. Zudem wehen Gülle, Dünger und Pestizide aus den umgebenden Äckern in die viel zu kleinen Gebiete hinein oder werden sogar direkt innerhalb der NSGs ausgebracht.
Keine intakte Natur in den Schutzgebieten also – wir setzen die Suche im Wald fort: Hier gibt tatsächlich einige Kleinode wie den alten Eichenmischwald ganz vorn im Prinzenbusch – zum Glück bislang ohne Osttangente. Intakt ist vielleicht übertrieben, aber immerhin: 4 bis 5 Spechtarten, Waldkauz und mehrere Fledermausarten zeigen an, dass diese Waldflächen ökologisch hochwertig sind. Leider aber sieht es in vielen Wäldern ganz anders aus: Breite Schotterpisten, Durchforstungen so intensiv, dass man 500 m weit hindurchsehen kann, fast alles Totholz raus…. Viele Wälder in Rhede, z. B. der Finkenbusch in Krommert oder große Teile des Prinzenbusches sehen seit einigen Jahren erbärmlich aus. So viel Holzeinschlag kann durch normale Nutzung nicht gerechtfertigt sein, denn der Begriff der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft.
Was ist mit den mehr als zwei Dritteln Agrarlandschaft? Das traurigste Kapitel: Wir freuen uns über jedes einzelne Rebhuhn, das wir sehen – es könnte das letzte sein. Wir erleben gerade den kompletten Niedergang der Kiebitzbestände (z. B. in der Mosse von über 100 Paaren auf maximal zwei innerhalb von 15 Jahren), und auch allen anderen Feldvögeln ergeht es kaum besser. Über Schmetterlinge und Blumen in unserer Feldlandschaft spricht kaum noch jemand – vielleicht fehlt dazu inzwischen die Vorstellungskraft.

Keine Spur von intakter Natur
Was ist mit der vielgepriesenen Artenvielfalt in der Stadt, die derzeit in aller Munde ist? Auch dort muss man in Rhede leider lange suchen. Bäume verschwinden, neue Flächen werden zugebaut, das Gewerbegebiet wächst rasant, Kiesgärten breiten sich aus usw.
Von intakter Natur ist in Rhede also keine Spur. Es gibt nur noch kleine Rückzugsräume – diese müssen wir unbedingt bewahren. Es ist mühsam, um jeden Quadratmeter Natur zu kämpfen, aber es lohnt sich – in den Schutzgebieten und Betreuungsgebieten des NABU (z. B. Moddenpohl) und in jedem einzelnen Garten!
Dr. Martin Steverding