Der NABU-Kreisverband Borken e.V. kritisiert die geplante Überbauung einer Streuobstwiese im Bocholter Stadtteil Lowick, die seinerzeit als ökologische Ausgleichmaßnahme für den Bau des neuen Stadtteils Bocholt-West bzw. Feldmark-West angelegt worden ist. Es kann und darf doch nicht sein, dass eine ökologische Ausgleichsfläche überplant wird. Welchen Wert haben dann noch Ausgleichsflächen, wenn diese keinen besonderen Schutz erfahren? Wie viele Bauvorhaben und weitere Flächenversiegelungen wollen wir noch ausgleichen? Und wie lange dürfen dann die neu ausgewiesenen Ausgleichsflächen ihrer Funktion nachkommen, bevor sie dann erneut überplant werden? Das ist doch absurd!
Des Weiteren ist der scheinbar nicht enden wollende Flächenverbrauch in Bocholt zu kritisieren. Bocholt hat nachweisbar eine abnehmende Bevölkerung (im Jahr 2015: 71.443; im Dezember 2021 71.074 Menschen in Bocholt (Quelle: Kreis Borken), und dennoch werden immer weiter Flächen mit Asphalt und Beton versiegelt, sodass Regenwasser nicht mehr auf natürliche Weise versickern kann. Die Neubildung von Grundwasserkörpern wird somit mittelfristig gefährdet! Zudem tragen übersiegelte Flächen erheblich zur Erderwärmung bei, indem die klimaintensiven und klimaschädlichen Baustoffe Beton und Asphalt Hitze speichern und reflektieren, sodass es in dicht bebauten Bereichen nachts nicht mehr zur natürlichen Abkühlung kommt – das belastet auch die Gesundheit der Menschen! Die weitere Versiegelung von Flächen in Bocholt (u.a. Erweiterung Industriepark Mussum, Neubaugebiete, Straßenbauprojekte, Aaseeufer) muss endlich gestoppt werden, denn sie geht zulasten der Stabilität des örtlichen Kleinklimas, der Biodiversität, der Landwirtschaft und der langfristigen Trinkwasserversorgung.
Durch die Überplanung und Überbauung der Lowicker Streuobstwiese würden ungefähr 50 Bäume gefällt, deren Ökosystemleistungen für die Stabilisierung des innerstädtischen Klimas, die Biodiversität und die Gesundheit der Menschen nicht zu ersetzen sind. Das Anpflanzen neuer Bäume als „Ersatz“ ist keine Alternative, zumal viele Neuanpflanzungen die ersten Monate oder Jahre nicht überleben. In den letzten Jahren hat Bocholt viele Bäume aufgrund von Hitze und Dürre verloren. Die Streuobstwiese ist deshalb als weitegehend hitzeresistente Ausgleichsfläche und als wertvoller Lebensraum dauerhaft unter Schutz zu stellen!
Wir fordern abschließend von der Verwaltung grundsätzlich einen verantwortungsbewussten Umgang mit der endlichen Ressource Fläche. Im konkreten Fall kann es durchaus zum Bau eines weiteren Vollversorgers in Lowick kommen, dann allerdings ausschließlich auf den bereits versiegelten Flächen. Die fehlende Fläche zur Erweiterung des bereits bestehenden Supermarktes soll durch eine mehrgeschossige Bauweise erschlossen werden, sodass es zu keiner weiteren Flächenversiegelung kommt. Parkplätze können durch eine Tiefgarage geschaffen werden. Mit etwas mehr Kreativität und Fantasie lässt sich die Rodung mehrerer tausend Quadratkilometer ökologisch wertvoller Fläche unzweifelhaft vermeiden. Immer weiter in die Fläche gehen zu wollen, spricht dagegen für eine verantwortungs- und einfallslose Stadtplanung.
Text: Michael Kempkes
Foto: Norbert Osterholt