Wolf, Kathy Büscher, NABU Rinteln
Über 400.000 tote Füchse, über eine Million tote Rehe, knapp 600.000 tote Wildschweine, knapp 200.000 tote Hasen usw. – das ist die Jahresbilanz der tödlichsten Freizeitbeschäftigung Deutschlands. Richtig, die Bestände der meisten „jagdbaren“ Tierarten sind durch die Jagd nicht gefährdet. Sie versuchen durch starke Vermehrung bzw. besonders große Würfe diese unnatürlich hohe Sterblichkeit auszugleichen, so dass ihre Bestände oft gerade wegen der Jagd so hoch sind. Füchse, Rothirsche, Wildschweine, Rehe und all die anderen stark bejagten Tiere stehen durch die Jagd unter permanentem Stress, sind immer auf der Flucht, leben unter ständiger Todesangst, sind traumatisiert. Die Sozialstrukturen dieser meist hochgradig sozialen Tiere (auch Füchse leben in komplexen Sozialstrukturen) sind stark gestört. Rehe und Hirsche trauen sich bei Tageslicht kaum ins Freie und verbeißen im Schutz des Waldes die jungen Bäume – die aktuelle Jagdpraxis führt so zu schweren Waldschäden.
Lieber Herr Bastians, ich finde es grauenhaft, was Sie und andere Jäger den Tieren zumuten. Der Todeskampf eines von Wölfen gerissenen Tieres dauert sicher einige Minuten lang, man kann ihn durchaus als grausam empfinden. Aber: Der Todeskampf zahlloser angeschossener Wildtiere dauert oft Tage. „Es ist noch bestes Büchsenlicht“, sagte mir ein angesprochener Jäger in mondloser Nacht um 23 Uhr. Das ist sicher kein Einzelfall, ich bin seit Jahrzehnten draußen unterwegs und kenne die Praxis. Die Folgen kann sich jeder Leser nun selbst ausmalen. Bis zu 60 % der Wildgänse tragen nach den Ergebnissen verschiedener Studien Schrotkugeln im Körper.
Zur Erinnerung: Es geht hier um Freizeitbeschäftigung – mit Ausnahme bundesweit einiger weniger und in der Regel fachkundiger und verantwortungsbewusster Berufsjäger. Jahrzehntelang haben die Jäger ihren Freizeitspaß gern damit legitimiert, dass sie den fehlenden Wolf ersetzen. Nun kommt der Wolf auf natürlichem Wege zurück und die Jäger fürchten um ihre Legitimation. Der Wolf ist eine heimische Tierart und ein natürlicher Bestandteil des Ökosystems, der Jäger nicht. Weder der Wolf noch irgendein anderer Beutegreifer tötet jährlich ein Drittel des Gesamtbestandes irgendeines Beutetieres – so wie es die Jäger in Deutschland beispielsweise beim Rothirsch tun. Vielleicht muss man in den Wolfsrevieren den Abschussplan ein wenig reduzieren – aber das wollen die meisten Jäger vermutlich nicht…. Wölfe richten ihre Jagdbeute nicht hin – Jäger tun dies aber sehr wohl: über 400.000 Füchse werden alljährlich in Deutschland hingerichtet und weggeworfen, nur weil es eben Füchse sind! Es ist kein schönes Gefühl, einen dieser Hunderttausende am Sonntagmorgen in Rhede tot neben einer verrosteten Falle zu finden – kein Einzelfall, sondern Normalität im „tödlichen Tierschutz“.
Lieber Herr Bastians, die Natur am Niederrhein und im Münsterland ist längst nicht mehr intakt – weder mit noch ohne Wolf. Unerträglich ist nicht die Arroganz von „Wolfs-Kuschelfreunden“, sondern unerträglich ist die Arroganz von Jägern, die sich anmaßen darüber zu entscheiden, welche Tierart leben soll und welche nicht und die sich ermächtigen, als Freizeitspaß millionenfach über Leben und Tod zu richten. Der dramatische Rückgang der Bodenbrüter ist real und in allererster Linie eine Folge der extrem intensiven Landwirtschaft. Eine „Vollschonung der Prädatoren“ gibt es meines Wissens nirgendwo in Deutschland – und das wissen Sie, Herr Bastians, als Jäger ebenso gut wie ich. Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit und bitte werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, die Sie mit Ihrer Waffe tragen!
Der Schutz von Schafen und anderen Weidetieren vor dem Wolf ist tatsächlich nicht einfach – hier ist auch die Politik gefragt, die Schäfer und andere Tierhalter besser beim Herdenschutz unterstützen muss als bisher. Gemessen an anderen Ausgaben ist dies wahrlich kein großer Posten. Andererseits muss man aber auch bei jedem Riss eines Haustieres hinterfragen: Wurden die Schutzmaßnahmen wirklich eingehalten? War der Zaun hoch genug und wirklich unter Strom? Zumindest bei einem Teil der Risse im Schermbecker Wolfsrevier war dies nachweislich nicht der Fall.